Die Kripperlroas ist ein überaus lokales Erlebnis, mit viel Nähe zu den Einheimischen. Der Besuch einer privaten Heimat- oder Landschaftskrippe, wie man die Krippenform hier in Bad Ischl nennt, ist eine sehr persönliche Annäherung an Tradition und Brauchtum.
Ein temporäres religiöses Format, das vom Christtag (25. Dezember) bis Maria Lichtmess (2. Februar) verfügbar ist. So auch beim Lippenbauer, einem Hof etwas oberhalb von Bad Ischl gelegen, der bereits 1540 erstmals erwähnt wurde und den Johann Linortner und seine Frau seit 1984 bewirtschaften.
Johann, ob seiner Aufgabe und Verantwortung auch Kripperlvater genannt, kümmert sich seit 26 Jahren liebevoll um die Heimatkrippe, die der Großvater seiner Frau ab 1900 durch Schnitzereien Jahrzehntelang erweiterte und pflegte.
Hier in der Region um die Kaiserstadt waren es Großteils Bergmänner und Holzknechte, die in den ruhigeren Wintermonaten als Laienschnitzer schöpferisch tätig waren. Pro Saison kamen je nach Arbeitspensum sechs bis höchstens acht Figuren dazu, und so zählt das Familienvermächtnis heute insgesamt zirka 350 Schnitzereien.
Neben den religiösen Szenen sind die großen Landschaftskrippen im Salzkammergut auch ein Spiegel der bäuerlichen Lebenswelt zu ihrer Entstehungszeit. Seit fast 100 Jahren scheint in manchen der Szenen die Zeit still zu stehen. Da sausen Dreschflegel auf ein Ährenbündel nieder und das Heu türmt sich auf einem zweispännigen Pferdewagen auf.
Johann legt naturgemäß großen Wert darauf, dass dieser kostbare Familienschatz auch an die Nachfolgegenerationen weitergegeben werden kann. Heute hilft bereits der Enkel mit, also beschäftigen sich insgesamt schon drei Generationen mit dem arbeitsintensiven Auf- und Abbau der Krippe, die immerhin zwei Drittel der Stube umfasst. Gruppen von bis zu 15 Personen können die Krippe gleichzeitig besuchen. Sind es mehr, hat keiner mehr was davon, weil es zu eng wird.
Der Spaziergänger ist auf echtem Moos unterwegs.
Johann Linortner widmet sich jedes Jahr bis zu fünf Monate der Vor- und Nachbereitung des Erbstücks und damit der aktiven Brauchtumspflege. Im Herbst, an den letzten warmen Südwind-Tagen, schwärmt schon mal die ganze Familie aus, um möglichst viel Moos für den späteren Krippenbau zu sammeln. Ganz vorsichtig und mit viel Fingerspitzengefühl muss es abgetragen werden, damit es nach sechs bis acht Wochen Lagerung in Stapelkisten im Advent für den Aufbau der Krippe wieder ausgelegt werden kann.
Der Bauer pflügt ein Feld aus Kaffeesud.
Altes Wurzelwerk, das mit Kalkruss und Leim in ansehnliche Felsen verwandelt wird, wirkt authentisch und zeugt von kreativem Potential im ländlichen Raum. Ebenso wie die Nutzung von Kaffeesud für die Darstellung des Ackers in der Krippe. Upcycling sozusagen. Clever gemacht.
Um das erste Adventwochenende herum beginnen die Linortners üblicherweise mit dem Umbau der Stube, die übers Jahr als ganz normal möblierter Wohnraum genutzt wird. Auf das Grundgerüst kommt Kantholz und ein Bretterholzboden aus Fichte, damit die Figuren später ins weiche Holz gestiftelt werden können. Am dritten Adventwochenende wird es grün. Das aufgelegte Moos formt die Landschaft, bevor am vierten Advent als finaler Akt alle Schnitzfiguren aufgestellt werden.
Der 24. Dezember ist jener Tag, an dem die Bergmannskrippe mit dem Christkind, dem Krippenzaun und Krippentuch fertiggestellt und die Stube noch mal gründlich geputzt wird.
Felsen aus gefärbtem Wurzelwerk.
Der Heilige Abend gehört alleine der Familie, die ersten Krippenbesucher werden erst am 25. Dezember erwartet. eine schöne Tradition, die beim Lippenbauer sorgfältig gepflegt wird. "Da darf man schon auch etwas egoistisch sein", erläutert Johann Linortner.
Von 25. Dezember bis 2. Februar öffnet sich die Türe des Lippenbauern für Besucher, die die große Landschaftskrippe bestaunen möchten.
Am 31. Dezember wird der Gloriaengel, der über der Krippe befestigt ist, abgenommen und durch den Stern ersetzt. Die heranziehenden Könige sind in dieser Phase noch als Reiterzug dargestellt, bevor am 6. Jänner der letzte Eingriff die Hirten entfernt und die anbetenden Könige in ihre Position gehen, die sie bis zum Krippenabbau an Maria Lichtmess nicht mehr verändern werden.
Natürlich ärgert es den Landwirt, wenn der aktuelle Milchpreis zur Sprache kommt, aber Johann Linortner bleibt dabei auf eine angenehme Art und Weise gelassen. Man müsse sich eben eine Nische suchen und so gut es geht das Rohprodukt veredeln oder am besten direkt vermarkten. Und genau das tut seine Tochter auf der knapp sieben Kilometer vom Hof entfernten Alm, wo sie hungrigen Wanderern von Frühsommer bis Herbst Jausen mit dem eigenen Käse anbietet. Für Linortner senior ist die emotionalste Zeit im Jahr (neben der Leidenschaft, die er als "Kripperlvater" aufbringt) jene, des Almabtriebs. Im Oktober, wenn das Vieh von der Alm kommt und im Stall schon alles vorbereitet ist, ein Sommer zu Ende geht. In diesen Momenten ist er ganz bei sich, dankbar und von Glück erfüllt.
Wie im richtigen Leben gibt es auch auf der Landschaftskrippe ausgelassene Szenen aus der arbeitsfreien Zeit. Da wird gezecht, musiziert und getanzt, dass es eine Freude ist.
Tipp: In Bad Ischl gibt es vom 1. Weihnachtstag (25. Dezember) bis Maria Lichtmess (2. Februar) neben der Möglichkeit die Krippen individuell zu besuchen, auch geführte Kripperlroasn zu mehreren öffentlich zugänglichen Privatkrippen. Für die Anreise zum Lippenbauer empfiehlt sich eine romantische Pferdekutschenfahrt.
Das Brauchtum der Landschaftskrippen und der Kripperlroas wird übrigens auch im benachbarten Ebensee am Traunsee gepflegt.