"Ohne Linz
könnte ich
nicht leben."
Gerhard Haderer ist der bedeutendste Karikaturist im deutschsprachigen Raum. Seine Persiflagen erschienen im Spiegel, im Stern und in zahlreichen Qualitätszeitungen. Das Herz des ewig jung Gebliebenen pocht für seine Heimatstadt Linz. Ein Gespräch über Knödel, die Kulturhauptstadt 2024 und die Abwesenheit des Buchstabens „d“ im oberösterreichischen Dialekt.
Haderer: Ich konnte Nächte lang nicht schlafen, weil ich mich so sehr auf dieses Gespräch gefreut habe.
Haderer: Doch. Das ist der schönste Tag in meinem Leben.
Haderer: Natürlich!
Haderer: Ja, seit meiner Kindheit interessiert mich eine bestimmte Abart des Oberösterreichischen. Ich mag einfach den Mundart-Slang – oder wie ich es nenne: "Das stumme D der Oberösterreicher:innen." Zum Beispiel "Nul" für "Nudel". "Rul" für "Rudolf". Das mache ich auch zum Thema meiner Zeichnungen. Und so ist es eine liebevolle Verneigung vor den Menschen, die in Oberösterreich leben. So wie ich es einer bin. Die Sprache zeichnet uns einfach aus – wie so vieles andere auch. Wir haben die klügsten, schönsten und gebildetsten Leute überhaupt. Dabei ist dieses Ländlein nur eine kleine Nadelspitze in der Weltkarte, aber es ist eben unsere.
Haderer: Ein Völkchen das man überall auf der Welt findet. Sie sprechen woanders nur andere Sprachen. Aber wir sind ein kleines Land, wo die Welt ihre Probe hält. Man findet hier Typen unterschiedlichster Art und Weise. Das was uns eint ist, dass wir allesamt in einem schönen Land leben.
Haderer: In meinem Fall ist das sehr speziell. Ich könnte ohne Linz nie leben. Hier laufen mir die Models und die Charaktere für meine Karikaturen vor der Nase herum. Und sie sagen stumm zu mir: "Bitte zeichnen Sie mich endlich!" Und das mache ich dann natürlich, weil ich ein freundlicher Mensch bin. Das glaubt mir nur keiner.
Haderer: Ohja, ich bin ja in Linz am Froschberg aufgewachsen und finde auch heute immer noch, dass das einer der zauberhaftesten Plätze ist, die ich kenne. Innerhalb von fünf Minuten kannst du alles erreichen. Linz ist eine kleine Großstadt oder große Kleinstadt – je nachdem wie man das sagen will. Man ist sehr schnell am Land. Ich habe auch in Salzburg gelebt, aber dort hat es mir nicht so gefallen. Die Leute haben meine Sprache nicht gesprochen. In Linz verstehe ich die Menschen. Im Salzkammergut bin ich aber auch sehr gerne. Etwa am Attersee.
Haderer: Als junger Mensch habe ich beschlossen keinen Urlaub zu machen, weil ich immer eine Alltagssituation schaffen wollte, von der ich keine Erholung brauche. Und das ist mir auch gelungen. Aber ich reise gerne, weil ich ein neugieriger Hund bin. Urlaube in diesem Sinne habe ich nicht, da meine Arbeit zu lustbetont ist. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie gearbeitet. Jeder Tag in Oberösterreich ist für mich ein Urlaubstag wenn man so will – und dabei bleibe ich.
Mein zweiter Stammplatz nach Linz ist der Attersee. Und je nach Witterung lade ich da immer wieder Freunde ein. An schönen Tagen ist es dort ein Paradies - ein Sommertag am See ist durch nichts zu relativieren. Mit dem Franz Welser Möst war ich auch schon beim Aichinger in Nussdorf essen. Auch das Gasthaus am Wachtberg mit Panoramablick ist sensationell. Dort oben ist es so schön, dass man es kaum aushält. Dort esse ich dann mit Freunden und Familie Speisen ohne D. Also "Kne(d)l" – das zweite Brot der Oberösterreicher [lacht].
Haderer: Haderer: Natürlich. Aber ich will meine Liebste nicht dabei stören. Wenn die das hören würde, würde sie jetzt sagen: "Haha – dass du kochen kannst, hast du noch nie bewiesen."
Haderer: In seiner unmittelbaren Umgebung wird man als Künstler am besten verstanden. Da geht es allen gleich. Jemand wie Welser Möst, der die Menschen so schätzt und ihre Sprache spricht und sie versteht – der hat eine enge Beziehung zum Publikum. Ich auch. Darum gibt es für Künstler auch so etwas wie Heimspiele – es ist eine andere Atmosphäre als in Frankfurt oder Berlin. Wenn ich in Linz bei einer Ausstellung sage: "Wo is da Rul?" – dann wissen alle der "Rudolf" ist gemeint. Diese Translation braucht man in anderen Gegenden mehr als in Linz. Aber anderswo auszustellen ist natürlich auch spannend. Das macht man, weil man nicht immer die gleichen Leute um sich haben will. Im Ausland hat man als Österreicher diesen exotischen Touch und wird bewundert. Ich sage immer, ich bin Ober-Österreicher. Kne(d)lfresser.
Haderer: Ich sage nur eines: Fasten seatbelts - schnallt euch an! Kultur hat es an sich, dass sie alle Umstände hinterfragt. Und so wird es wahrscheinlich sein, dass diese Kulturhauptstadt eine große Liebeserklärung an das Bundesland wird. So hoffe ich es. Aber es wird auch Widerhaken geben. Die Jungen, die jung Gebliebenen und die wachen Köpfe begnügen sich nicht mit den Traditionen. Sie fordern ein, dass heutige Kultur passiert.
Die sehr Klugen – etwa Hubert von Goisern – nehmen diese Traditionen her und deutschen sie ein für heutige Ansprüche. Das ist große Kunst. Oder grandiose Künstler:innen wie die Attwenger – denen ich seit Jahren verfallen bin – machen das auch.
Kultur ist aber ein viel höhrerer Anspruch. Kultur hat sich in allen unseren Lebensbereichen zu finden. Und wenn sie nicht das ist, dann ist es Unkultur! Und Unkultur wollen wir Künstler:innen nicht und setzen uns daher jeden Tag dagegen zur Wehr. Wir wollen die Welt verändern ein Stückchen mehr in Richtung Kultur.
Haderer: Mein Kulturbegriff ist ein umfassender und beginnt beim Kleinbauern der seinen Betrieb erhält. Alle, alle Kultur – quasi. Oberösterreich ist nicht so wie Salzburg, wo es ein eindeutiges Symbol für Kultur gibt. Ich gehe privat gerne in Konzerte, aber nicht in Klassische. Meine Kultur ist in Linz – der Stahlsstadt. Es entsteht viel Frisches und das ist schön zu entdecken. Bilderbuch etwa ist beeindruckend. Ich mag die Bandbreite und nehme sie auch in Anspruch. Das hält jung.